Korsika Tour 2002
1. Tag
Samstag morgen, Mitte April.
Ich blicke auf die Uhr. Hatten wir nicht 5 Uhr gesagt?
Der Schneereif bedeckt die
Autos und meine vollbepackte VTR im westfälischen Münster als
ich den wohlbekannten Vau-Zwei-Sound näher kommen höre. Dann
biegt Max mit seiner Africa-Twin um die Ecke.
Na, endlich. Korsika, wir
kommen.
Nachdem wir uns mit Max´
neuer Errungenschaft, einer Gegensprechanlage, verkabelt haben, geht´s
auf die Bahn. Ab Richtung Süden...
Es ist echt schweinekalt.
Allein auf der Sauerland-Linie herrschen „nette“ Temperaturen um 0°
Celsius. Aber der Süden ruft ja!
Gott sei Dank haben wir die
Sprechanlage, obwohl die Verständigung über 120 km/h und einem
Abstand von mehr als 100 Metern echt spürbar nachlässt.
Die Zeit und die Kälte
vertreiben wir uns mit blöden Sprüchen („Na, Michi. Ist deine
Griffheizung auch so heiß?“ „HaHa!“) und Andere-Biker-Zählen
(Wir kommen bis zur Abfahrt Füssen auf sagenhafte 5!).
Es ist schon witzig, die ganzen
Ski-beladenen Autos zu überholen. Doch ganz anders wird mir erst,
als ich im Allgäu von Weitem die schneebedeckten Hänge der Alpen
erkennen kann. Da wollen wir rüber? Wir müssen bescheuert sein...
„Hey, Max. Meinst du wirklich,
die Pässe sind frei?“ „Hmm, glaub schon“.
Als wir uns ab der Abfahrt
Füssen an einem 20 Kilometer langen Stau
vorbeischlängeln,
fängt es an zu schneien. Der Schneematsch spritzt gegen die Kotflügel.
Auf einmal merke ich, wie unentspannt mich die neue Wetterlage fahren lässt.
Manchmal sind knapp 100 PS am Hinterrad doch eher beunruhigend als wohltuend.
Wesentlich entspannter dirigiert Max seinen vollbepackten Zweizylinder
an erstaunt blickenden Autofahrern vorbei. Als es dann dunkel wird, entschließen
wir uns, in Reutte (Österreich) eine Bleibe für die Nacht zu
suchen, zumal der Fernpaß gesperrt ist, und viele Autofahrer noch
die Nacht in ihren Kisten verbringen werden.
Tatsächlich finden wir
die „Bärenfalle“, eine winzige, abseitsgelegene Kneipe, deren Wirtin
ob des großen Gästeansturms vollkommen überfordert ist.
Nachdem keine Zimmer für uns vorhanden sind und wir auch nicht im
Gästeraum übernachten dürfen, entschließen wir uns,
das Zelt draußen im Schnee aufzuschlagen. Nach 3 Weizen und 2 großen
Enzian („Wollt ihr einen für Kinder oder für Männer?“) geht’s
dann in die Heia.
„So´n Mist, warum hab´ich
eigentlich nur ´nen Sommerschlafsack dabei?! Mann, ist das kalt!“
Die Nacht ist kurz, wir werden
von der Kälte geweckt. Um 6 Uhr entschließen wir uns, zu packen
und die Rückfahrt nach Kempten anzutreten. Doch was ist das?
Schnee, überall Schnee.
20 cm Neuschnee!
Als nur noch das Rot meiner
VTR durch die Schneeschicht durchschimmert sehe ich ihren vorwurfsvollen
Blick: „Ihr seid doch verrückt! Und jetzt? Willste mir Schneeketten
aufziehen, oder was?“ Die Africa-Twin hingegen thront auf ihrem Hauptständer
und zeigt sich scheinbar unbeeindruckt.
Als wir die steifgefrorenen Sachen zusammenpacken,
öffnet sich an einem ebenfalls eingeschneiten Wohnanhänger eine
Tür. Mit den Worten: “Ich fahr ja auch Motorrad, aber das ist mir
`ne Nummer zu heftig. Es waren diese Nacht minus 6° Celsius“, überreicht
uns ein netter, ebenfalls im Schnee feststeckender Herr aus Kassel zwei
Tassen heißen Kaffee und Marmorkuchen. Nochmals danke!
Der Weg zurück durch
den Neuschnee ist echt heavy. Ständig versucht die VTR mir mit durchdrehendem
Hinterrad zu signalisieren, dass sie Schnee gar nicht mag. Ich fahre nur
im ersten Gang mit schleifender Kupplung.
Mist, wo hört denn die
Straße auf und fängt der Grünstreifen an?
Ich habe keine Zeit in die
erstaunt dreinblickenden Gesichter der Autofahrer zu sehen, die uns mit
Schneeketten entgegen kommen. Kinder drücken ihre Nasen an den Scheiben
platt.
Ich konzentriere mich, versuche,
nicht an meine abgefrorenen Hände zu denken. Wieso ist der Max schon
wieder so weit vorne? Ich kauf mir auch bald ´ne Enduro. Aber den
Gedanken verdränge ich schnell wieder.
Nach 20 Kilometern erreichen
wir wieder halbwegs befahrbaren Asphalt mit Schneematsch und schlittern
nach Kempten.
Dort wärmen wir uns bei
der örtlichen Polizeistation auf und halten Kriegsrat. Drei Möglichkeiten
bleiben: 1. Abbruch (kommt eigentlich nicht in Frage), 2. Skiurlaub in
Oberstdorf mit dem Motorrad („...wär ja echt cool...“) und 3. Kurzaufenthalt
bei `nem Kumpel in München.
Wir entschließen uns
für letzteres.
Die Fahrt gibt folgende Erkenntnisse
frei: „verdammt schwer, gefrorenen von nicht gefrorenem Untergrund zu unterscheiden“
und
„ich hol Max gleich von seiner
Kiste ´runter, wenn der noch länger an seiner Griffheizung ´rumfummelt!“
Als wir in München ankommen,
können wir Eiszapfen von den Maschinen brechen. Ich kann´s nicht
glauben!
5./6. Tag
Nach zwei Tagen in München
machen wir uns auf den Weg nach Italien. Endlich ist die Brennerautobahn
wieder befahrbar, doch es ist weiterhin seltsam, unter den Brücken
die Skifahrer auf den Pisten zu beobachten, während man auf zwei Rädern
über den Asphalt surft.
Wir weichen von unserem Plan
ab, von Livorno (Italien) aus die Insel anzusteuern und nehmen Kurs auf
La Spezia, da auf meiner Karte noch eine weitere Fährverbindung eingezeichnet
ist.
In La Spezia fragen wir an
einer Bushaltestelle nach dem Weg zum Fährhafen. Doch Silvia, die
nette Italienerin klärt uns auf: Hier gebe es keine Fähren, außerdem
können wir bei ihr übernachten. Schon schreibt sie ihre Handy-Nr.
auf.
Hmm...Ich schaue Max an und
deute seinen Blick richtig: “Die hat sicher ´nen florierenden Gebrauchtmotorradhandel“.
Wir entschließen uns, das freundliche Angebot nur im Notfall anzunehmen.
Im Hafenviertel angekommen
öffnet sich plötzlich eine Schranke und ein Container-LKW kommt
heraus. Noch während wir uns Zutritt/-fahrt verschaffen, werden wir
von einem Zollbeamten zurückgepfiffen. Wo wir herkommen, will er in
gebrochenem Deutsch wissen, obwohl unsere Kennzeichen einwandfrei zu erkennen
sind. „Allemagne!“ „Das ich auch sehen, dass ihr seid keine Türken!“
Ich muss unwillkürlich grinsen.
Nachdem wir ihm die genaue
Lage unserer Heimatorte geschildert haben, muss auch er lachen: „Fähre
nach Korsika? Schon seit 12 Jahren nicht mehr. Nur Cargo.“
Ich muss sofort an das Herausgabedatum
meines ADAC-Atlasses denken (87/88) und beschließe, lieber nichts
mehr zu sagen. Max und der Zöllner tauschen innereuropäische
Berufserfahrungen aus. Polizisten unter sich, denke ich, während sich
langsam Müdigkeit ausbreitet.
Nachdem der nette Zollbeamte
mit sämtlichen Büros in La Spezia telefoniert hat und sich keine
Fähre nach Korsika finden lässt, machen wir uns auf den Weg nach
Livorno. Es ist inzwischen 22.30 Uhr.
Livorno. Endlich. Am Hafen
erfahren wir, dass die nächste Fähre morgen um 13.30 ablegt.
Wir suchen uns mitten in der Nacht eine Übernachtungsmöglichkeit
außerhalb der Stadt. Im Dunkeln erkennt Max ein Schild, das uns auf
einen abgelegenen Campingplatz (CP) führt. Die Serpentinenstrecke
dorthin in absoluter Dunkelheit kann mich auch nicht mehr beeindrucken.
Ich bin ziemlich kaputt. Doch dann, das Tor geschlossen. „Ferme“ (geschlossen)
der Aufdruck. Doch Max zeigt seine Routine auf CP`s und fährt stumpf
gegen das Tor. Es schwingt auf, ist nur angelehnt. „Ist doch offen, weiß
gar nicht, was du hast“, sein Kommentar. Wir stellen die Maschinen ab.
Hundegebell dringt an unser Ohr, doch niemand zeigt sich. Zeltaufbau, Bierchen,
schlafen. Um 2 Uhr kommen wir zur Ruhe.
7. Tag
Die Sonnenstrahlen wecken
uns um 9 Uhr. Noch im Halbschlaf nehme ich Traktorgeräusche war und
wage einen Blick nach draußen. Doch der Propretario (Eigentümer)
nimmt nicht einmal von uns Notiz, als wir das Zelt abbauen. Zwei riesige
Hunde begleiten ihn auf Schritt und Tritt bei seiner Arbeit. Auf unsere
Frage nach den Kosten entgegnet er nur: „No, no. You can leave. Leave.”
Das lassen wir uns nicht zweimal
sagen.
Ab zum Hafen. Die Sonne wärmt
uns. Endlich im Süden. Das rege Treiben und die italienischen Verkehrsverhältnisse
sind wie immer eine Sache für sich. Chaos pur, doch es funktioniert.
Diese Erfahrung müssen wir auch auf der Fähre machen, wo man
unsere Motorräder mit einem einfachen Seil festbindet. Max: „Meine
Karre ist doch kein Hund!“
Doch unbeschadet landen unsere
Vehikel mit uns auf Korsika.
Kurz vor der Ausfahrt aus
dem Rumpf der Fähre werden wir noch von einem bärtigen Mann mit
ca. 30 Korsika-Aufklebern am Wohnwagen gewarnt: „Passt bloß auf eure
Motorräder auf, hier gibt´s organisierte Banden!“
Er sollte Recht behalten.
Wir verlassen Bastia fahren
an der Ostküste entlang Richtung Süden. Die zwei Typen im dunklen
Peugeot 205 fallen uns zum ersten Mal auf als wir uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit
am Strand umschauen. Um uns zu vergewissern, dass wir wirklich verfolgt
werden, halten wir an einer belebten Straße einfach an und lassen
den Wagen vorbeifahren. Nun sind wir am Zug. Gerade als wir losfahren,
kommen uns die beiden im Peugeot entgegen und machen lange Hälse.
Bevor die beiden erneut umdrehen können haben Markus und ich schon
kräftig am Kabel gezogen. Wir verschwinden in einem Seitenweg und
durch Zufall landen wir auf einem Mini-CP, auf dem wir uns erst einmal
ruhig verhalten. Doch in der Dämmerung ist nichts auffälliges
zu entdecken. Haben wir unsere Verfolger abgeschüttelt? Während
des anschließenden Zeltaufbaus bemerken wir unten am CP einen dunklen
Kleinwagen, der verdächtig langsam fährt und nach irgendetwas
Ausschau hält. Wir verhalten uns ruhig, schließen die Bikes
aneinander und fallen in einen leichten Schlaf.
8. Tag
Vogelgezwitscher weckt mich
auf. Erstaunt stelle ich fest, dass Max schon außerhalb des Zeltes
sitzt, um uns Kaffee zu kochen. Also müssen die Motorräder noch
da sein, denke ich erleichtert.
Nachdem wir auch auf diesem
CP nichts bezahlen müssen, machen wir uns auf den Weg ins Landesinnere.
Die Landschaft wechselt langsam von mediterran-warm in herbstlich-kühl
als wir die ersten Bergstrassen erklimmen. Bäume haben plötzlich
keine Blätter mehr und auch Nebel zieht teilweise auf. Sprachlos macht
mich vor allen Dingen die Schönheit dieser kargen Landschaft.
Irgendwann entdecken wir in
einem abseitsgelegenen Tal im Landesinnern einen CP, der aber ziemlich
verlassen aussieht. Wir werden von einem Schäferhund begrüßt,
bei dem mir sofort die frische Narbe an seiner Flanke auffällt. Laut
der freundlichen Besitzerin dürfen wir uns auf dem weitläufigen
Gelände einen Platz fürs Zelt aussuchen. Wir entscheiden uns
für ein sonniges Plätzchen in der Nähe eines alten Caravans
und zahlen erst einmal für 2 Übernachtungen. Scheinbar sind wir
die einzigen Gäste hier. Der Rest des Tages besteht aus Gegend erkunden,
einkaufen, duschen und essen.
9. Tag
Karfreitag.
Am morgen schon haben wir
mit „Jib“, so heißt der Schäferhund, wie wir später erfahren
werden, den ersten Gast. Max lässt es sich nicht nehmen, mit ihm etwas
Frühsport
zu treiben. Die beiden spielen „Stöckchen-Holen“, wobei das „Stöckchen“
eher die Ausmaße eines mittleren Baumstammes besitzt. Es erstaunt
nicht nur mich, mit welcher Ausdauer der Hund immer wieder mit diesem Riesenknüppel
zurückkommt. „Verrücktes Vieh“, denke ich. Wir scheinen einen
ersten Freund auf Korsika gefunden zu haben, denn „Jib“ verabschiedet und
begrüßt uns von nun an mit freundlichem Gebell und passt nebenbei
auch noch auf unsere Sachen auf.
Nach dem Frühstück
geht´s wieder los in die Berge. Die Wege werden immer schmaler, bis
sie nur noch Fahradweg-Breite aufweisen. Zwischendurch frage ich mich,
was wohl passieren würde, wenn uns jemand entgegen käme und ich
mich verbremse. Beim Blick an den tiefen Abhängen herunter erübrigt
sich die Frage.
„Doch was ist das?“
Mir wir fast schlecht beim
Anblick der Schlachtabfälle, die jemand als I-Tüpfelchen zu dem
anderen Müll hinzugekippt hat. Von „wilden Müllkippen“
hatte ich ja schon gelesen, aber das hier übertrifft alles: Neben
Fernsehgeräten, alten Sofas hat auch jemand Autos, Waschmaschinen
und Mofas entsorgt. Ganz unten entdecke ich sogar einen ausgebrannten Omnibus!
Nicht zu fassen, wie die Korsen mit ihrer Insel umgehen. „Insel der Schönheit“?
Davon kann hier nicht die Rede sein. Im Reiseführer muss ich lesen,
dass es für die Korsen seit jeher ein Müllbeseitigungsproblem
gibt. Und da die Insel sehr klein ist, wird der Müll einfach in die
freie Natur gekippt - vorzugsweise in den Bergen.
Neben diesen Müllkippen
fallen uns auch immer wieder die seltsamen, teils durchschossenen Straßenschilder
auf, auf denen der französische Name meistens durchgestrichen ist
und durch den korsischen ersetzt wurde. Eindeutige Zeichen der korsischen
Untergrundkämpfer, die für ein eigenständiges Korsika kämpfen.
Immer wieder sollen auch durch Anschläge auf Touristenzentren Fremde
von der Insel ferngehalten werden, da fast das gesamte Geld durch die Tourismusbranche
ins Mutterland Frankreich fließt, hingegen für die Insel selbst
nichts erhalten bleibt.
Mit gemischten Gefühlen
erreichen wir wieder, lautstark von „Jib“ begrüßt, abends den
CP. 
Zum ersten Mal probieren wir
den Steinofen am Gasthaus aus und funktionieren ihn zum Grill um. Die Kastanie
scheint übrigens DIE Frucht auf der Insel zu sein, denn aus ihnen
wird nicht nur Brot gebacken, sondern auch Bier und Wein hergestellt. Letzteres
hilft auch etwas gegen die Kälte, denn es herrschen nachts nur Temperaturen
von lauschigen 4°C.
10. Tag
Heute lernen wir zum ersten
Mal auch die Bewohner des Caravans kennen. Michael, einen Telekom-Mitarbeiter
aus der Nähe von Bonn, der mit seinen Töchtern zum wiederholten
Male auf Korsika Urlaub macht. Von ihm erhalten wir auch einige Tipps über
Sehenswürdigkeiten der Insel. Aber wir haben heute schon anderes vor:
die Erkundung eines Nationalparks im Gebirge in der Nähe von Corte.
Allein die Strecke dahin glänzt durch Kurven mit weiten Radien, wie
geschaffen für uns. Immer wieder fahre ich im Hang-off,
schon stellt sich ein leichter Flow ein.
Dieses Glücksgefühl
sollte aber noch übertroffen werden, denn Corte ist beeindruckend
mit seinem einzigartigen Castell, doch der Nationalpark
ist der absolute Hammer. Wunderschöne Gebirgsflüsse in noch schöneren
Schluchten werden von Pinienwäldern eingerahmt. Dazu die kühle,
frische Luft und nebenbei – super Asphalt. Ich lasse die Zügel der
VTR locker und lasse mich einfach immer höher hinauf führen,
immer dem Gipfel entgegen. Nur noch gedämpft nehme ich den tiefen
Brummbass des Motors wahr.
Allein für diese Augenblicke
hat sich die Reise schon gelohnt!
Oben auf dem Gipfel ruhen wir
uns etwas aus und lassen uns dann einfach wieder die Passstrasse herunterrollen.
Eigentlich sollte ich den Motor wieder einschalten, aber der Spaß
des stillen Rollens ist immens. Auch Max hat inzwischen der Ehrgeiz gepackt
und wir versuchen nun, ohne Motorkraft, den anderen zu überholen.
Jetzt ist die bessere Linie gefragt, denn wer bei Geschwindigkeiten um
100 km/h auch nur leicht die Beläge anlegt und bremst, hat es nachher
umso schwerer, den anderen wieder einzuholen. So legen wir über 20
km zurück und bekommen das Grinsen nicht mehr aus den Gesichtern.
Max, der Teufelskerl fährt fast alle Kurven auch noch freihändig.
„Was DER kann...“ Ich denke
den Satz gar nicht zu Ende, denn ich scheitere am sturen Geradeauslauf
meiner Maschine und muss ständig nachkorrigieren.
Am Abend setzen wir uns mit
Michael zusammen und reden über Gott und die Welt. Nach diesem schönen
Tag schmeckt auch der korsische Wein noch eine Spur besser.
11. Tag
„Was ist denn das?“ In meinen
Springerstiefeln kullern Schokoostereier. Unsere netten Nachbarn haben
es sich nicht nehmen lassen, uns zu Ostern zu überraschen. Nach einem
gemütlichen Frühstück entschließen wir uns, den Tag
mit Faulenzen, Volleyballspielen und Bier trinken zu begehen und unseren
Rössern mal ne Ruhepause zu gönnen.
Schließlich wollen wir
in drei Tagen die Insel verlassen und etwas Entspannung tut uns sicherlich
gut.
12. Tag
Nun aber los. Wir hatten nur
einen Ruhetag, aber die Lust zum Fahren ist an diesem Morgen noch stärker
als sonst spürbar. Entzugserscheinungen?
Diesmal haben wir uns den
Nordwesten der Insel vorgenommen. Am Abend zuvor hatten wir uns eine (zugegeben)
lange aber kurvenreiche Gegend ausgeguckt. Auch der Wettergott scheint
uns hold zu sein, denn die Sonne wärmt uns angenehm.
Einen ersten Zwischenstopp nehmen wir in Corte,
wo uns besonders das Castell beeindruckt. Nach einer längeren Pause
am Hafen, in der wir es uns nicht nehmen lassen, einer italienischen Familie
zuzuschauen, die krampfhaft versucht ihren Jetski ins Wasser zu befördern,
gehts weiter.
Waren zu Anfang der heutigen
Tour die Straßen noch von astreiner Qualität, gleichen sie jedoch
am nördlichsten Punkt der Insel deutschen Landstraßen 4. Stufe:
Bodenwellen und Schlaglöcher wechseln sich ständig ab. Meine
Handgelenke scheinen auf einmal knüppeldick zu sein. Leider muss Max
ständig auf mich warten, da sich das akzeptable Tempo auf der VTR
bei etwa 50 km/h einpendelt. Hin und wieder gibt Max Gas und lässt
sich dann wieder etwas zurückfallen. Die faszinierende Aussicht von
dieser hoch am Meer gelegenen Passstrasse entschädigt aber wieder
für die Strapaze.

Einen kurzen Adrenalinschub gibt es zum ersten
Mal, als ich merke, dass ich evtl. mit dem Sprit nicht hinkomme. Der VTR-Tank
ist echt klein! Zwar könnten wir von Max´ Afrika Twin
was abzapfen, aber durch Zufall finden wir dann doch noch eine Tankstelle
in einem verschlafenen Nest irgendwo im Norden. Kurz danach wird auch der
Asphalt wieder besser, doch ich merke, dass mich das Fahren auf der "Marter-Strecke"
doch sehr viel Konzentration gekostet hat. So bleibe ich etwas zurück
während Markus immer noch locker durch die Kurven schwingt. Immer
an hohen Felswänden vorbei schmiegt sich die enge Straße hoch
über der Küste entlang.
Wieder einmal gibt Max seiner Twin die Sporen
und als er in eine enge Linkskehre eintaucht, sehe ich auf einmal starken
Qualm aufsteigen und ihn auf den Abgrund zurutschen.
„Was zum Henker...?“
Nur aufgrund seiner fahrerischen
Qualitäten schafft er es, das Motorrad mit blockierendem Hinterrad
auf engstem Raum zu stoppen.
"Oh Mann..."
Als ich den Reisebus erkenne,
der die ganze Straßenbreite eingenommen hat, wird mir ganz anders.
Warum hupt der denn nicht vorher?
Wir rollen unsere Bikes ein
Stück rückwärts und lassen den Bus passieren. Ganz eng müssen
wir uns dabei an die Felswand pressen. Ein kurzer Gruß zum Busfahrer
und weiter geht’s.
Die „Ile de Beaute“ (Insel
der Schönheit) gibt uns noch einmal das volle Programm: Kurven mit
Radien aller Art, Sonnenschein am Meer, Schnee und herbstliche Stimmung
auf den Pässen, bester Asphalt und Rollsplitt, enge Schluchten und
kühle, dunkle Wälder. Einfach ein Traum. Hier konnte sich die
Natur mal richtig austoben.
13. Tag
Zum Abschluss unserer Tour fahren wir noch einmal
an der Ostküste entlang. Der Berufsverkehr in Bastia hat schon stark
zugenommen, als wir auf einsamere Strassen treffen. Die Reifen kleben hervorragend
und ganz entspannt schwingt man von Kurve zu Kurve. Am nördlichsten
Punkt der Insel entdecken wir eine abgelegene "Carabinieri"-Station.
Max fällt sofort ins Auge, dass auf dem
Dach der Station die korsische und gleichzeitig die französische Nationalflagge
weht, wobei die korsische sogar auf gleicher Höhe wie die Tricolore
hängt. All dies, wie auch die überall durchgestrichenen oder
zerschossenen französischen Ortsnamen auf den Schildern
zeigen den Stolz und den Drang nach Unabhängigkeit der Inselbewohner.
Langsam fahren wir zurück Richtung Campingplatz
und nehmen innerlich schon langsam wehmütig Abschied von der Insel.
Trotz aufkommender Wehmut
ob unserer Abreise am nächsten Morgen sind Max und ich uns einig:
Hier waren wir nicht zum letzten Mal!
Für den Abend haben wir
unsere CP-Nachbarn zum Abschluß-Grillen
eingeladen. So endet auch unser letzter Tag auf Korsika standesgemäß
mit Wein, Kastanien-Bier und Wildschweinfleisch...
14. Tag
Das passt ja! Pünktlich
zur Rückreise fängts an zu regnen. Wir packen unsere Sachen und
verlassen leise den Campingplatz - natürlich nicht, ohne uns von Jib
zu verabschieden. Im Hafen von Bastia wartet schon unsere Fähre, die
uns zurück nach Livorno
bringt.
Weil wir unbedingt in Italien
noch ein paar Pässe unter die Reifen nehmen müssen, verzögert
sich unsere Heimfahrt etwas. Da wir aber keinen Zeitdruck haben, schlagen
wir abends auf einem netten CP direkt am Gardasee unser Zelt auf. Am nächsten
Tag stehen wir gegen 6 Uhr auf und die Rückreise erfolgt ohne Probleme.