Heldenepos In 14 Akten
Es war eine unwirkliche Tageszeit.
Die Nacht – längst vorbei.
Der Tag – noch nicht angebrochen.
Fenster waren verdunkelt. Kneipen geschlossen.
Der Wind spielte mit einer leeren Konservendose,
die er über den Parkplatz eines Studentenwohnheimes in Münster
rollen ließ.
Doch plötzlich war aus der Ferne ein
leises immer lauter werdendes Motorengeräusch zu vernehmen. Erst schemenhaft
dann immer klarer erschien die Silhouette eines Kraftradfahrers,
der offensichtlich große Seitenkoffer an sein monströses Gefährt
angebracht hatte. Im selben Augenblick erlosch der Scheinwerfer, verstummte
das Motorengeräusch. Der Motorradfahrer hatte seine Maschine ausgestellt
und rollte nun lautlos über den Parkplatz auf einen zweiten Motorradfahrer
zu, der dort mit seiner Freundin gewartet hatte. Worte wurden gewechselt.
Ein Begrüßungsritual folgte.
Wenige Minuten später horchten die
drei auf. Abermals war ein Motorengeräusch zu hören, diesmal
jedoch ein lautes ohrenbetäubendes aber wohlvertrautes Knattern.
Der dritte Motorradfahrer erschien und wurde
von den dreien freudig begrüßt. Dann verging eine Weile.
Mit den ausgetretenen Kippen hätte man schon die Typenbezeichnung
der fehlenden Maschine darstellen können. Doch als man dann endlich
den vierten Motorradfahrer um die Ecke biegen sah, waren alle wenn auch
nur inneren Zweifel verklungen.
Das Heldenepos ohne Drehbuch würde tatsächlich mit vier Akteuren vor noch nichts ahnendem Publikum mit ungewissem Ausgang aufgeführt werden...
Doch beschäftigen wir uns zunächst mit den Akteuren.
Da wäre als erstes JENS ( Fetzen ),
der erfahrene XT-Treiber, der über die Grenzen hinaus dafür bekannt
geworden ist, auch das Letzte aus seiner Maschine herauszuholen und schon
auf zahlreichen interkontinentalen Touren sein Improvisationsgeschick unter
Beweis gestellt hat.
Sein langjähriger Weggefährte,
MARKUS, ( Max ), ist für seine Unerschrockenheit und Ignoranz
gegenüber Gefahren, insbesondere Naturgesetzen bekannt.
Sich ihn ohne seine Africa-Twin vorzustellen,
wäre wie Pech ohne Schwefel, Grillen ohne Pils oder Urlaub ohne Motorrad.
Er hat mit seiner AT schon alle Höhen und Tiefen durchlebt und wird
ihr nur untreu, wenn er in seiner Profession die Gummikuh durch
die Gegend scheucht.
Als Dritter betritt JENS ( Jenne) die
Bühne. Ein Mann der mit beiden Beinen fest auf der Erde steht, den
nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Der werdende Vater hat nicht zuletzt
wegen seiner Physis stets den Überblick.
Handwerklich begabt löst er kleine
wie große Probleme nicht nur an seiner Kawasaki 600 KLR.
Das Quartett wird durch MICHAEL(
Michi ) komplettiert. Der kompetente Fire-Storm-Pilot hat auf zahlreichen
Sauerlandtouren seine Teilnahme an der Tour legitimiert. Sensibel
geht seine Gashand mit dem großzügigen Drehmoment um,
mit der seine Honda VTR 1000 bestückt ist. Das Terrain muß schon
ziemlich unwegsam sein, wenn es auffallen soll, dass er der
einzige Nichtendurist im Quartett ist.
Der Wunsch, trotz aller Entbehrungen und Widerstände, in die große Tour eingeführt zu werden, ist den beiden letztgenannten gemein. Sie wollen die großen Alpenpässe erfahren. Neue Straßen, neue Kurven, neue Landstriche, neue Menschen kennenlernen. Aber auch die Belastbarkeit ihrer selbst und ihrer Maschinen testen.
Sie streben die Einheit von Mensch und Maschine
an.
Alle vier Akteure bilden eine Personalunion
in der Gier nach grenzenlosem Abenteuer.
1. Akt
Zwei blonde Engel, die das frühe Aufstehen
nicht scheuten, entließen die vier Helden gegen 04.30 Uhr mit den
besten Wünschen in die weite Welt.
Das erste Etappenziel, Delmont (CH),
wurde ohne schwuchteliges Lamentieren über harte Sitzbänke,
ungünstige Sitzpositionen oder Luftzirkulationen am Helm erreicht.
So konnten sie es sich schon gegen 14 Uhr
auf dem bekannten Camping Platz (CP) an der Biers gemütlich
machen.
Die erste gruppendynamische Entscheidung fiel, als die Schlafplätze verteilt werden sollten: Der Vergleich von Körperlänge und Zeltmaße machte jede Diskussion überflüssig. Da bei Markus seinem Zelt lediglich Jennes Füße draußen bleiben mussten, hatten sich schnell zwei WG gebildet.
Der erste Abend wurde mit einem zünftigen
Faß Bier und gegrilltem Schweinefleisch begangen.
Bei Michi meldeten sich die ersten Vorboten
einer mitgebrachten Virusinfektion. Seine durch die Fahrt angeschwollenen
Handgelenke kühlte er im kalten Strom der Biers. Da Jenne der
Meinung war, man könne sein Mopped nicht hoch genug Packen, übernahm
er ab sofort Michis Rucksack.
Nach dem Ausschlafen und gemütlichem
Frühstück starteten die Vier gegen 11 Uhr zur 2. Etappe, die
sie über Biel/Bienne und Friebourg nach Martigny führte. Auf
dem Umweg über den Jaunpaß setzte die Strecke das erste Mal
kurvige Akzente.
Die letzten kurvigen Akzente wurden von
dem blonden Gift mit dem männermordenden Blick hinter der Theke der
Rezeption vom CP in Martigny gesetzt. Weniger gute Noten erhielt der CP
selbst, da erstens kein offenes Feuer erlaubt war und zweitens die
Wege nicht nur weit, sondern auch sehr unansehnlich waren. (Goldwing mit
peinlichem Plexiglaszwinger für Papis Pudel auf dem Tank)
3.Akt
Am 3. Reisetag warteten, in Gestalt des Großen
und Kleinen St. Bernhardpasses, die ersten großen Alpenpässe
auf die furchtlosen Fahrer. Mit einer irrationalen Mischung aus Überwältigtsein
und Unbeeindrucktheit spulten die vier Zweiradpiloten das schier endlose
Kurvenfestival in dem gigantischen Felsenkollosseum hochkonzentriert,
jedoch spielerisch wirkend ab. Für einen kurzen Augenblick zeigte
sich der Montblanc von seiner besten Seite. Auf dem Col de Iseran fiel
dann die erste Filmklappe.
In St. Michel erfuhren sie von einem Gratis-CP,
den sie anschließend jedoch bei einem korrupten Gendamaristen,
der nur seine eigenen Gesetze kannte, von 60 auf 20 Franc herunterhandeln
mussten.
Fetzen zeigte am Abend den Teilnehmern
der Tour, was unter einem Erdgrill zu verstehen ist. Michi
bekam fiebergeschwächt von alldem nur noch am Rande etwas mit.
4. Akt
Gutes Timing. Während Michi sich noch
schonte, führten Fetzen und Markus den Jenne in die Geheimnisse des
Unfallberges ein. Gekonnt schraubten sie sich driftend über endlose
Schotterkehren hoch in die lebensbedrohliche Zone über der Baumgrenze.
Wie Icespeedwayfahrer überwanden sie schließlich die letzten
Schneefelder vor dem altbekannten Plateau, das sie mit gigantischen Ausblicken
für die schweißtreibende Plackerei belohnte.
Das nächste Abenteuer war auf dem Galibier
zu bewältigen, wo in einer Rechtskurve erst spät Rollsplitt zu
erkennen war. Doch als wenn sie darauf gewartet hätten, spulten sie
ihre Fahrqualitäten ab und immitierten kurzerhand manuell, das
in anderen komfortableren Maschinen serienmäßige ABS.
(Manchmal ist Gegenverkehr einfach unangebracht.)
Jenne und Michi kompensierten noch mindere
Fahrpraxis durch aufmerksame Fahrweise:
„ Wer (Verkehrsschilder) lesen kann,
ist klar im Vorteil!“
Als weiteres wurde die Strecke zum Mittelmeer
in Pässe abgemessen. Und dort bestanden Jenne und Michi ihre Feuertaufe.
Nichts war mehr so, wie vorher. Jede Form von Kurven wurde exerziert.
Sie verloren ihre alpenfahrerische Unschuld.
Selbst die 120er bzw. 170er-VTR Kurven auf
der Abfahrt des Galibier, wo Fetzen, laut Sigma-Sporttacho, 327 km/h
schnell fuhr, wurden gekonnt gemeistert.
Trotz einsetzender Dunkelheit erreichten
sie Psychos CP. Psycho bestach mit durchdringendem Blick und
geduckter Körperhaltung.
Seine Mobilität stellte er entweder
mit seinem 6 km/h – Jeep oder mit der Honda Dax auch auf kürzesten
Strecken unter Beweis.
5. Akt
Am 5. Tag wurden viel kleine Pässe nördlich
von Nizza unter die Räder genommen. Auf der „Zooschleife“, die nördlich
vom Turinipaß abging, konnten sie Ziegen, Pferde und Bullen
in freier Wildbahn betrachten. Zwei Bullen, die
gerade dabei waren, den Gewaltbegriff neu zu definieren, uns und
von Deeskalation scheinbar noch nie etwas gehört hatten, kamen den
Helden, sowie dem Abhang, dabei gefährlich nahe.
Als sie sich bei der Abfahrt kurzzeitig
aus den Augen verloren, stellte sich das Mitführen von hochmoderner
elektronischer Spitzenkommunikationstechnologie als vorausschauendes Handeln
dar.
Über dem holprigen Tannenzapfencol,
der zum Col de Brause führte, erreichten sie den Ort Sospel, wo gerade
die Startampel zum Großen Preis von de Brouis auf Grün sprang.
Die Rennstrecke wurde in einem hervorragend präparierten Zustand vorgefunden.
Wenn da nicht immer diese leichtsinnigen
Zuschauer gewesen wären, die sich schier todesmutig den Piloten
in den Weg stellten. Doch diese öffentlichkeitswirksamen Störaktionen
werden wohl nie ganz zu verhindern sein.
Fetzens hintere Bremsscheibe musste am Ende
der flotten Gangart Tribut zollen und schrie bläulich verfärbt
quasi nach einem kurzen Boxenstopp.
Die Strecke zum alten Tendepaß mit
seiner beeindruckenden Festung
aus dem letzten Jahrtausend führte wieder durch unbefestigteres Terrain.
Vereinzelte Geröllsteine dieser ausgewaschenen Piste werden sich noch
Jahre später damit rühmen, VTR-Pneukontakt gehabt zu haben. Die
Festung selbst wurde dann von Jenne und Fetz gestürmt. Beim Überwinden
der fünf Meter hohen, quasi griff- und trittlosen Mauer vertrauten
sie auf ihre intuitiv wirkenden Kletterfähigkeiten.
Auf dem Rückweg zum CP wurden die Vier
daran erinnert, dass der direkteste Weg auf der Karte nicht immer gleichbedeutend
mit dem kürzesten Weg in der Realität sein muß.
So fuhren sie von Col zu Col zu Col zu Col zu Col...etc., was Jenne zum
Ausruf: „Ich glaub’, ich hab’ nen Koller!!“ veranlasste.
Sich schon auf den allabendlichen Umtrunk
freuend fuhren sie in gemächlicher zwar gesetzeskonformer doch für
sie in Auslaufgeschwindigkeit durch eine verschlafene Ortschaft dem CP
entgegen. Diese ungewöhnliche Fahrweise musste wohl einen einheimischen
ZX-7-Fahrer, im Gewand eines Streetfighters, dazu verleitet haben, in einem
kurzen nicht mehr rückgängig zu machenden Anfall der Selbstüberschätzung
, die Frechheit zu besitzen, sie zu ÜBERHOLEN!!!
Diese provokante Majestätsbeleidigung
konnten die unermüdlichen Helden natürlich nicht sanktionslos
hinnehmen. Als sie aus dem Rückspiegel des Fahrschülers
verschwanden, wurde sich blitzartig, innerhalb weniger Kurven, wieder an
ihn herangebremst. Er sah schnell ein, dass jegliche Versuche
der Gegenwehr schlicht aussichtslos waren und nicht mal den Begriff Makulatur
mit Inhalt füllen konnten. Die Tatsache, dass er sich einsichtig
zeigte und unterwürfig rechts ran fuhr, um eine scheinbar geplante
Zigarettenpause einzulegen, kam dem Aufmüpfigen strafmildernd zu Gute
und so wurde auf ein Anblinken großmütig verzichtet und es bei
einem kurzen abfälligen Blick von der Seite belassen.
Diese kurze Irritation war jedoch schnell
wieder vergessen, als ihnen beim Eintreffen auf dem CP, aufgrund der Reaktionen
der anderen Camper, schlagartig bewusst wurde, dass das verwegene Biker-Outlaw-Image
fortwährend Bestand hat: Spielende Kinder
liefen weinend zu ihren Eltern, deren Gespräche verstummten, Blicke
erstarrten. Vögel hörten auf zu zwitschern. Die Sonne änderte
ihre Umlaufbahn. Der Himmel schien sich zu verfinstern. Jennes Rülpsen
übertönte selbst das Knattern seines Motors.
Zufrieden mit ihrem Tagewerk sanken die
unverbesserlichen Höllenhunde in ihren gerechten Schlaf.
( ...und sie ahnten, dass die kommende Nacht
bei weitem nicht ausreichen würde um ihre gesamten Heldentaten auch
nur halbwegs zu verarbeiten.)
6. Akt
Aus diesem Grund wurde der 6. Tag ein wenig
ruhiger angegangen.
Die relativ kurze Etappe führte das
sympathische Heldenquartett durch das verlassenwirkende Vartal nach Castellane.
Da sich mittlerweile auch bei Max das Fieber
breit machte, legte er sich unverzüglich nieder, um wieder neue Kraft
zu tanken.
Die anderen nahmen den 14Uhr-Zuch und begutachteten
erst mal die Verschleißerscheinungen an Michis VTR und dann die Altstadt.
Nach 6 Tagen sexueller Enthaltsamkeit machten
sich bei Michi in der Nacht, beschwingt vom Alkohol, Entzugserscheinungen
breit.
Doch bei Fetzen konnte er an diesem Abend
noch nicht landen. Er vergewisserte sich aber trotzdem der Diskretion.
„Erzähl das nicht weiter!“
7. Akt
An diesem Tag galt es bei der Umrundung der
imposanten Verdon-Schlucht, kleine bunte bewegliche Hindernisse wiederholt
zu umkurven. Von hier aus noch mal freundliche Grüße an den
Fiat-Barchetta-Club!
Die Cola in Aups stellte sich im Nachhinein
als ziemlich teuer heraus, (sogar noch teurer als die 0,33l-Bierdosen-Schnäppchen
für umgerechnet 4,30DM) denn beim Kaffee mit den Bandidos fiel
Max auf, dass er, wahrscheinlich noch im Fieberwahn, seine Geldbörse
verloren hatte. Vielleicht schon mit einer Vorahnung, dass er nach einem
halben Jahr seine Geldbörse mit allen wichtigen Dokumenten, insbesondere
EC-Karte, (bis auf 250DM) vom Deutschen Generalkonsulat aus Marseille zurückgeschickt
bekommen würde, trübte dieser Zwischenfall seinen Blick für
das Wesentliche nicht im geringsten:
„ Da sind mir noch zwei R1-Fahrer begegnet,
- die konnten ja gar nichts!“
Das nächste Heldenstück vollbrachten
die Vier in einer hinterhältigen Linkskurve der Verdon-Schlucht. Dort
kreuzte nämlich eine heruntergerissene Stromleitung die Fahrbahn.
Nur durch blitzschnelles Reagieren -Herunterreißen der Maschine mit
sofortigem Wiederaufrichten- (Der Morgen stirbt nie) konnte ein Sturz und
damit das Ende der Welt verhindert werden. Der letzte Fahrer brachte den
Schaden mal eben kurz, noch während der Fahrt, in Ordnung.
Diese Leistung wurde allerdings vom Wettergott
nicht ausreichend honoriert. Im Gegenteil. Ab diesem Zeitpunkt hörte
es nicht mehr auf zu fisseln. Und wenn die stets tiefstapelnden Helden
von „fisseln“ sprachen, dann dürfte wohl jedem klar sein, dass es
sich um platzregenartige Ergüsse, die sonst nur in südamerikanischen
Regenwäldern vorkommen, gehandelt haben muß.
Doch auch hiervon ließen sich die
unerschrockenen Helden nicht unterkriegen. Während alle anderen Camper
panisch in betonierte Notunterkünfte flohen, stellten sie mal eben
ihre Höllenmaschinen zu einer Wagenburg zusammen, die sie mit einer
mitgeführten Plane trickreich überdachten.
So konnten sie mit einer Engelsruhe ihr
Abendmahl zubereiten, sich ein Döschen Pils gönnen, Kartenspielen
und ihrem Lieblingsspiel der Tour, dem Boulespiel mit Dosen, nachgehen.
8. Akt
Am 8. Tag sollten die Pyrenäen anvisiert
werden. Der Adrenalienstoß beim Erkennen eines Stauendes hinter einer
Kurve, machte die Fahrer schlagartig wach, so dass ¾ der Gruppe
aufnahmefähig für die provoncetypischen Schönheiten der
Natur, in Form von prachtvollen Alleen oder geruchsintensiven Lavendelfeldern,
waren. Fetzen: “Ich rieche nichts.“
Nach langer Zeit gab es wieder mehr Geraden
als Kurven, auf denen die Jungs ihre Maschinen ordentlich aufdrehten. Dies
veranlasste Max seine Philosophie zu erläutern: „...auf Geraden Stoff
zu machen, bringt eigentlich nichts. Erst die Kurve schreit nach einer
gewissen Geschwindigkeit.“
9. Akt
Auf dem Weg durch die Pyrenäen stellte
der Zwergenstaat Andorra eine Zwischenetappe dar. Hier konnten Michi und
Jenne fahrerische Akzente setzen. Während Michi die Fußrasten
der vollbeladenen VTR zum Glühen brachte und im Rausch des Übermuts
sogar Führungsarbeit übernehmen wollte, zeigte Jenne lässig
ein 200m-Überholwheely.
Dem aufmerksamen Leser ist es bestimmt schon
aufgefallen, dass die vier Helden sich trotz ihrer unantastbaren Überlegenheit,
gegenüber Amateuren stets als Underdogs gaben. Nur leichtsinnige
böse Zungen haben es je gewagt, das Gegenteil zu behaupten. Um so
verständlicher muß die Abscheu wirken, die sie bei der Begegnung
mit einem großen Spinner auf einem nordspanischen CP empfanden.
Dieser aus der Art geschlagene Africa Twin-Fahrer
wollte ihnen doch glatt weiß machen, dass er richtige Action-Filme
mit der Kamera in der Hand dreht und nebenbei noch mit der Ölwanne(!)
aufsetzt. Da der erste Blick der Helden auf die an der Twin
befestigten Utensilien, wie Angel und Reifenpiloten, fiel, wusste man natürlich
gleich, wie diese Aussage einzuschätzen war. Nach zweistündiger
Feuerholzsuche zeigten sie diesem Anfänger erst mal, wie ein richtiges
Lagerfeuer gemacht wird. Da dieses aber bald waldbrandähnliche
Ausmaße annahm, (Max:„Ich sammel das Holz doch nicht für umsonst“)
mussten sie sich erst mal ihrer Kleidung entledigen.
Sie konnten ja nicht ahnen, dass sich dies
bei den Teenagerinen auf dem CP in Nullkommanichts herumsprechen könnte
und es bald zu tumultartigen Szenen kommen würde.
Da auch Fetzen nicht gegen den
Tour-Virus gefeit war, freuten sich die vier Helden schon auf die Nachtruhe.
Diese wurde allerdings auf das empfindlichste durch eine Pornohörspielproduktion
mit dem Arbeitstitel „???....und das vibrierende Nymphomanencamp“
gestört.
10. Akt
An diesem Tag beherrschten großzügig
ausgebaute nordspanische Straßen mit vorbildlich asphaltierten Kurvengeschlängel
die Szenerie.
In einem kurzen narzisstischen Anfall gaben
sich die Helden dafür her, ihre fahrerischen Glanzleistungen für
die Nachwelt und der damit unausweichlichen Legendenbildung auf Zelluloid
festzuhalten.
Ungeübten sei hiervon allerdings abzuraten.
Von dem Fotoshooting beflügelt musste
Fetzen seinen Weggefährten erst mal eine lebensverneinende Fahrweise
exerzieren.
Dabei suchte er das letzte bisschen Gripp
nicht auf der äußersten Rille seines Metzelerpneus, sondern
auf der Reifenflanke, wo er gerne das Herstellerlogo ausradiert hätte.
Diese Bemühungen wurden allerdings durch die aushebelnde Wirkung der
Fußrastenhalterung Einhalt geboten.
Fetzen war wohl der einzige Zweiradpilot
in der nördlichen Hemisphäre, der in dieser Situation die Nerven
behalten konnte und mit einer reflexartigen Lenkerbewegung noch seinen
Kopf aus der Schlinge ziehen konnte.
Auf der abendlichen Anfahrt zum CP erfuhren
sie, dass die Torsionssteifigkeit von spanischem Stangenbrot nicht allzu
hoch ist und lernten trotz tiefstehender Sonne deren Flugeigenschaften
kennen.
„Das Wetter wird morgen wieder gut, die
Brote fliegen so tief!“
Auf dem CP nähe Jaca hatten sie das
Gefühl, die chronisch hustende Schwester von Psycho kennengelernt
zu haben.
11. Akt
Der 11. Tag begann für Jenne mit einer
Überraschung. Noch ein bisschen schlaftrunken traute er seinen
Augen und Ohren nicht. Wie kann eine Africa Twin ohne Zündkerzen
anspringen? Er hatte bei seiner kleinen Racheaktion lediglich
zwei der vier Zündkerzenstecker gelöst. Vorausgegangen war ein
kleiner Scherz des Twinpiloten, der nur beiläufig erwähnte,
dass er die Riesenkiefernzapfen, die Jenne schon Hunderte von Kilometern
als Mitbringsel für seine Schwiegermutter transportiert hatte,
einfach auf die Straße geschmissen habe.
Als nächstes stellte Fetzen zum wiederholten
Male seine Kühnheit unter Beweis, als er die Treppen einer Aussichtsplattform
mit seiner XT erklomm. Ausgesetzt vor der imposanten Schlucht stehend,
schien es ihnen fast so, als wären sie allein unter Geiern.
Doch Fetzen hob warnend seinen Zeigefinger:
„Denkt immer daran, jeder zweite der uns
hier entgegenkommt ist ein Terrorist!“ ...und er sollte Recht behalten,
denn im gleichen Moment fiel in der nahegelegen Stadt Tolosa ein spanischer
Politiker einem Bombenattentat der baskischen Untergrundorganisation, ETA,
zum Opfer.
Nun konnten sie sich auch einen Reim darauf
machen, warum die verängstigte Bevölkerung jedes mal Deckung
suchte, wenn ihnen die lauten Fehlzündungen der Enduro-Twin durch
Mark und Bein gingen. Da auch die Helden häufig irritiert waren, als
sie dicht hinter der Twin fahrend, oft auch die Schräglage ausreizend,
von dem plötzlichen Feuerstoß überrascht wurden, nahm sich
Jenne dieses Problems an, indem er mit wenigen Handgriffen und einfachsten
Mitteln die Krümmerverbindung abdichtete.
Seine Reflexe konnte Jenne kurze Zeit später
bei einem plözlichen Bremsmanöver aufgrund eines Schwertransporters
vorführen.
Um der Fire-Storm nicht ins Heck zu fahren,
musste er schon die kompletten Federwege seiner KLR ausreizen. Hätte
er seine Maschine nicht so vorausschauend überladen, stünde er
in dieser Situation gewiß senkrecht in der Luft.
In der alten Stadt Pamplona wollten sich
die vier unerschrockenen Helden traditionell mit den Stieren messen, um
so die begehrten roten Halstücher zu erlangen mit denen sie auch äußerlich
ihre Verbundenheit darstellen wollten. Leider hatten die Stiere gerade
Siesta.
Und so lieferten sie sich mit dem einzigen
Bullen, der keine Müdigkeit kannte, einen heißen Tanz.
In einem rasanten Finale über kleine kurvenschwangere nordspanische
Straßen zeigte jeder SKK-Teilnehmer nochmal, was er in den
vergangenen Tagen auf tausenden Kilometern und in zehntausenden Kurven
dazugelernt hatte. Markus, der bei seinen Überholmanövern
selbst nadelöhrgroße Lücken nutze, gab anschließend
mit zittrigen Händen die an sein Krad montierte Videokamera
wieder ab.
„ Nee Leute, so geht das nicht weiter!“
In Zarautz mussten sie dann auf einem am
Atlantik gelegenen Surfer-CP von der iberischen Halbinsel Abschied nehmen.
Hier fühlten sie sich gleich heimisch,
als sie die kiffenden münsteranischen Sportstudenten trafen.
Mit den letzten Metern Film wurde der Vorspann
für den bald legendären, weil von der staatlichen Zensur betroffenen,
Motorradfahrerlehrfilm „Adventure sports“ gedreht.
Da ihnen bewusst wurde, dass am nächsten
Tag auch die Heimreise beginnen würde, hauten sie noch mal so richtig
auf den Putz.
12. Akt
Am nächsten Morgen konnte man feststellen,
dass neben den einiges gewöhnten Helden auch eine Hinterradspeiche
der Twin angeknackst war.
Michi versuchte seine katzenähnliche
Geschmeidigkeit wieder herzustellen, indem er unter den misstrauischen
Blicken seiner Freunde eine Dose Katzenfutter verschlang. MIAU CALAMARES!
Bis auf Jenne wurden alle vom Tourvirus
heimgesucht. Trotzdem wollte rückblickend niemand mit ihm tauschen,
da er mit jeder auf der Reise getroffenen Mücke per du war.
Sie hatten ihn so gerne, dass sie ihm auf allen Extremitäten Andenken
hinterließen.
Als Fetz, frisch geduscht, diesbezüglich
äußerte, dass er erst mal einen alten Legionärstrick* angewandt
habe, ließ das natürlich Platz für heitere Spekulationen.
Am Abend steuerte man einen abgelegenen
CP mit vorbildlicher Feuerlöschausrüstung an.
Als überraschendes Beförderungsmittel
für eine nette holländische Großfamilie inklusive antiquiertem
Firnzelt stellten sich zwei Triumpf-Motorräder heraus.
(*SKK: Spezialkurvenkommando)
(*Legionärstrick: Mit der Hitze der
Glut einer Zigarette, die juckenden Eiweißstoffe des Mückenstiches
auflösen.)
13. Akt
Das Ziel des 13. Tages bestand eigentlich nur darin, Kilometer zu fressen, um einen günstigen Ausgangsort für die darauffolgende Parisfahrt zu finden.
Und so kamen sie, vorbei an den imposanten
Schlössern der Loire, ihrem Ziel immer näher.
Die CP-Suche gestaltete sich anfangs etwas
schwierig, konnte dann aber mit der gewohnten Routine erfolgreich
beendet werden.
Der CP-Leiter erkannte sofort welche Ehre
ihm durch den Besuch der vier Helden zu teil wurde und erlaubte ihnen
großzügig auf seinem englischen Zierrasen ein Lagerfeuer zu
machen.
Daß sein Vertrauensvorschuß
nicht unbegründet war, merkte er, als sie die Feuerstelle anschließend
wieder mit der zuvor herausgeschnittenen Grasnarbe praktisch unsichtbar
verdeckten.
Die Verhaltensweise, einen Biwakplatz so
zu verlassen, wie man ihn vorgefunden hat, brauchten sie nicht groß
zu erlernen, sondern entsprach ihrem verantwortungsbewußten,
naturverbundenen und mit dem Sinn für größere Zusammenhänge
ausgestatteten Naturell.
14. Akt
Das disziplinierte sehr frühe Aufstehen
der an sich langschläfrigen Helden ermöglichte es ihnen, sich
der Pariser Rushhour zu entziehen und dafür die Kurvenlage im weltberühmten
Kreisel des Arc de Triumpf zu testen.
Gefrühstückt wurde dann klassisch
mit Baguette und Käse unter dem Eifelturm.
Im Eiltempo ging es dann über Belgien
zurück in heimische Gefilde.
Der einzige heftige Regen seit Tagen erwischte
sie dann aber noch, wie kann es anders sein, kurz vor Recklinghausen.
Beim Stopp, um die Regenbekleidung anzulegen, ärgerten sie sich über
eine eisglatte Auffahrt eines BMW-Autohauses.
Die weitere Heimfahrt verlief dann aber
ohne Zwischenfälle und so konnten sie ihr wohlverdientes Abschlussbier
im Barfög in Münster trinken.
Warum aber die beiden Jens’ ihr Bier quasi
auf „ex“ tranken kann heute nicht mehr genau rekonstruiert werden.
Abschließend kann festgestellt werden,
dass in 14 Tagen ca. 5000 Kilometer zurückgelegt und unzählige
Abenteuer ohne Verletzungen und nennenswerte Sachschäden bewältigt
wurden.
Alle Teilnehmer wurden ihrem guten
Ruf auch in Extremsituationen gerecht.
Jeder einzelne verstand es auf seine eigene
Art, sich selbst zurückzunehmen und das Wohl und die Zusammengehörigkeit
der Gruppe stets in den Vordergrund zu rücken.
Was die vier rhetorisch speziell geschulten
Helden auf dieser Reise für sich gewonnen haben, können selbst
sie nur schwer in Worte fassen.
Schalten sie auch das nächste mal wieder
ein, wenn es dann vielleicht heißt:
„Wenn Helden gereizt werden...“
;-)